Wiedersehen mit einem alten Bekannten
Vor einigen Tagen bekam das Archiv des Heimatvereins aus einem Nachlass einen kleinen
Koffer voller alter Fotografien, Briefe, Dokumente und Postkarten. Der Inhalt war lange ersehnt, denn seit 4 Jahren recherchieren wir zu einer ganz bestimmten Eitorfer Geschichte, die in unseren Heimatblättern erscheinen soll. -Mehr wird dazu aber noch nicht verraten.
Bei der Sichtung des Kofferinhalts jedenfalls fiel das Augenmerk plötzlich auf ein auffallend stolzes Portrait. Der Blick, die hohen Wangenknochen, die Orden, die Ohren, na der gute Mann kommt doch bekannt vor? Ich war mir sicher, in den Heimatblättern 39/22 hatte er eine tragende Rolle gespielt. Ich drehte das Bild um und war erstaunt, das vermeintliche Foto entpuppte sich nämlich als Postkarte und auch das war so typisch für die auf der Vorderseite abgelichtete Person, über die Hermann Josef Ersfeld in seiner „Eitorfer Bildchronik“ schreibt:
„Der Kaiserbesuch in Eitorf war vermutlich einer der schönsten Tage im Leben des Hauptmann Schmolz. Im Zivilleben war er Mitbesitzer der Eitorfer Brauerei. Aber mit Leib und Seele war er soldatischer Patriot, kein Fest sah ihn ohne tadellose Uniform und man erzählt, sein Söhnchen habe dann „den Rock des Kaisers“ in Miniaturausgabe getragen. Kein vaterländisches Fest auch ohne dass Hauptmann Schmolz zu den Festrednern zählte; kein auch nur halbwegs patriotischer Verein von den Kriegern bis über die Feuerwehr bis zu den Turnern ohne Wilhelm Schmolz in einer Vorstandsfunktion -im Verband der Kriegervereine erhielt er sogar den Kreis-Vorsitz- In Schmolz verkörperte sich eine Weltanschauung!“
Wilhelm Schmolz wohnte auf dem Gelände der Kronenbrauerei, Ecke Asbacher- und Schümmerichstraße (heute Aldi-Parkplatz) in der „Villa Schmolz“. „Villa“ war zwar ein viel zu dick aufgetragenes Wort für das kleine, unscheinbare Häusschen, aber immerhin war Wilhelm Schmolz Teilhaber der dahinterliegenden Kronenbrauerei. Weitere Firmenanteile ergatterte er, als er die Fußhöllertochter Anna heiratete. Als diese 1896 starb, ehelichte Wilhelm Schmolz gleich ihre Schwester Maria und besaß damit 3/4 der Firmenanteile. Bis 1914 ließ es sich mit dem Verkauf von Bier sehr gut leben, dann kam der Krieg und nach ihm die Inflation. Schmolz verließ das sinkende Schiff, nicht ohne sich vorher seine Anteile auszahlen zu lassen: Das Todesurteil für die ohnehin schon gebeutelte Eitorfer Brauerei. Er siedelte mit seiner Familie nach Mannheim über und wurde -Dank entsprechendem Startkapital- Firmenmitinhaber und kaufmännischer Leiter der süddeutschen Union Stahlgesellschaft.
Damit verloren sich 1921 die Spuren von Wilhelm Schmolz und so manches Mal habe ich mich gefragt, was wohl aus ihm geworden war, bis er mir aus diesem Koffer entgegenblickte.
Die Postkarte wurde 1953 aus Hannover-Kleefeld nach Eitorf geschickt. Schmolz hat also den 2. Weltkrieg überlebt, Mannheim verlassen und erinnerte sich, nun im stolzen Alter von 84 Jahren, noch einmal an seine schöne Zeit in Eitorf und sandte den Nachfahren diese Karte.